Mit
der Flugabwehrbrigade 100 ist die Struktur »Heer der Zukunft« um
einen weiteren bedeutenden Baustein reicher geworden. Die
Flugabwehrbrigade 100 ist eine von sechs Kampfunterstützungs- bzw.
Logistikbrigaden des Heerestruppenkommandos und führt
alle Einsatzkräfte der Flugabwehrtruppe des Heeres. Die Brigade wurde
Mitte des Jahres 2002 in Dienst gestellt und hat seit Oktober 2002 ihre
Grundgliederung eingenommen. Die
Einnahme der Binnen- bzw. Feinstrukturen wird sich allerdings bis in das
Jahr 2004 erstrecken. Die
Brigade besteht aus dem Stab, der Stabsbatterie der Brigade, einer
Flugabwehraufklärungsbatterie, drei leichten Flugabwehrraketenbatterien,
einer Feldersatzbatterie, drei aktiven
und drei nicht aktiven Panzerflugabwehrkanonenbataillonen sowie zwei
aktiven und zwei nicht aktive Panzerflugabwehrraketenbataillonen. In der
Zielstruktur ergibt sich damit eine
Gesamtstärke von ca. 4.100 aktiven Soldaten und ca. 2.500 Reservisten.
Die Truppenteile der Brigade sind in fünf Standorten in fünf
Bundesländern stationiert.
Auftrag
Der Auftrag der Flugabwehrbrigade 100 lautet:
* Verantwortung für Führung und Einsatzbereitschaft der
unterstellten Verbände und Einheiten,
* Bereitstellen von Kräften und Mitteln für
Einsätze,
* Abstellen von Truppenteilen für Ausbildungs- und Übungsvorhaben
der Großverbände des Heeres und ggf. multinationalen Korps,
* Bereithalten eines Regimentsgefechtsstands erhöhter Verfügbarkeit
für Einsätze, Übungen und Ausbildung,
* Ausbildung und Mobilmachungsplanung für die nicht aktiven
Verbände,
* Planen und Steuern aller logistischen Maßnahmen
sowie
* Mitwirken an der Weiterentwicklung der
Flugabwehrtruppe.
Einsatzkräfte erhöhter Verfügbarkeit
Für
die Krisenreaktion stellt die Brigade Einsatzkräfte erhöhter
Verfügbarkeit in der Stärke eines Flugabwehrregiments bereit. Die
Führung übernimmt ein bereits im Frieden im Brigadekommando vorhandener
Regimentsgefechtsstand. Diesem wird
lageabhängig mechanisierte und gegebenenfalls auch leichte Flugabwehr
zugeordnet. Damit ist sichergestellt, dass beispielsweise einer
mechanisierten Division oder einem
Einsatzkontingent im Bedarfsfall Flugabwehrkräfte für Übungen oder Einsätze ohne Mobilmachung
kurzfristig auf Zusammenarbeit angewiesen oder unterstellt werden können. Der
Brigadestab ist eine
Dienststelle, die im Mobilmachungsfall zur Auflösung kommt. Die
Flugabwehrkräfte werden dann den mechanisierten Divisionen unterstellt.
Dort werden sie durch mobilgemachte
Regimentsstäbe geführt.
System Flugabwehr
Die
Elemente »Führung und Feuerleitung«, »Aufklärung« sowie
»Waffenwirkung« sind im Verbund das »System Flugabwehr«. Wesentliche
Voraussetzung eines erfolgreichen Flugabwehrschutzes bzw. -kampfes sind
leistungsstarke Sensoren für die
lückenlose Überwachung des Luftraums und reaktionsschnelle
Flugabwehrwaffen für den Kampf insbesondere gegen tief fliegende
Luftfahrzeuge mit geringer
Radarrückstrahlfläche. Der
Informationsaustausch zwischen den Elementen bzw. Systemkomponenten
wird durch das
Heeres-Flugabwehr-Aufklärungs- und Gefechtsführungssystem (HFlaAFüSys)
auf Datenfunkbasis sichergestellt. Im Systemverbund wird der höchste
Wirkungsgrad erzielt.
Die
Koordination des Flugabwehrschutzes bedarf dreier Fähigkeiten, die in
der Systemkomponente »Führung und
Feuerleitung« zusammengefasst sind: HFlaAFüSys stellt sicher, dass die
durch die Aufklärungsmittel gewonnenen Luftlagedaten (»Aufklärung«)
sowie die Befehle und Entscheidungen des
jeweiligen taktischen Führers (»Führung und Feuerleitung«) bis auf die
Ebene der Feuereinheit in nahezu Echtzeit übertragen werden. Damit
ergibt sich eine kurze Reaktionszeit, die
die Bekämpfung plötzlich auftauchender, schnell fliegender Flugziele
erlaubt (»Waffenwirkung«).
Materielle Ausstattung
Das System Flugabwehr verfügt über folgende flugabwehrspezifische
materielle Ausstattung:
Führung und
Feuerleitung: Führungsfahrzeuge stellen den verzugslosen Informationsaustausch mittels
Sprech- und Datenfunk sicher und sind hochmoderne Führungsmittel in der Hand des jeweiligen Flugabwehrführers.
Flugabwehraufklärung: Die
Aufklärung des
Luftraums einschließlich der Identifizierung von Luftfahrzeugen wird
durch die Sensoren des Luftraumüberwachungsradars (LÜR), des
Aufklärungs-, Feuerleit- und Führungsfahrzeugs
Wiesel (AFF) und des Führungsgefechtsstands ROLAND (FGR) mit einer
Reichweite von bis zu 100 km betrieben. Das FGR wird ab 2004 zur
Verfügung stehen und durch das TBR
(Tiefbereichsradargerät) zukünftig ersetzt. Die
Flugabwehr-Aufklärungsschnittstelle-Tiefflugbereich
(FAST) (LKW 2 to oder 0,9 to) ermöglicht die Ergänzung des eigenen
Luftlagebildes durch den Anschluss an einen überregionalen oder
benachbarten Aufklärungsverbund. So können
beispielsweise Luftlageinformationen anderer Streitkräfte in den eigenen
Aufklärungsverbund übernommen werden.
Flugabwehrwaffen: Die Flugabwehrbrigade 100 verfügt
über mechanisierte, gepanzerte Flugabwehrwaffen und leichte Flugabwehrwaffen.
Mechanisierte Flugabwehr
Die
Flugabwehrpanzer GEPARD und ROLAND sind autonome, allwetterfähige
Flugabwehrwaffen, die aufgrund ihrer Panzerung und Beweglichkeit
insbesondere zum Schutz mechanisierter Kräfte gegen die Bedrohung aus
der Luft geeignet sind. Insgesamt sind 126
Flugabwehrkanonenpanzer GEPARD und 100 Flugabwehrraketenpanzer ROLAND in
der Flugabwehrbrigade 100 verfügbar. Der
Flugabwehrkanonenpanzer GEPARD verfügt über zwei 35-mm
Gurtmaschinenkanonen mit einer Kampfentfernung von bis zu 5.000 Metern.
Die
Waffenanlage ist rechnergesteuert. Der Flugabwehrkanonenpanzer verfügt
über ein eigenes Suchradargerät, mit dem er die örtliche Luftlage in
einem Umkreis von 16 km ermitteln und
für den Feuerkampf nutzen kann. Die hochbrisante Flugabwehrmunition ist auch wegen ihrer hohen
Anfangsgeschwindigkeit sehr treffgenau. Der
Flugabwehrraketenpanzer ROLAND ist mit Lenkflugkörpern
ausgestattet, die eine Bekämpfung feindlicher Luftfahrzeuge bis zu einer
Entfernung von 9.000 Metern erlauben. Die Lenkflugkörper werden
rechnergesteuert oder manuell in das Ziel
gelenkt und haben eine hohe Treffwahrscheinlichkeit. Wie der GEPARD
verfügt auch der ROLAND über ein eigenes Suchradargerät. Stets
wird der gemeinsame Einsatz von GEPARD und ROLAND angestrebt, so dass
mit diesem »Waffenmix« die spezifischen Fähigkeiten von
Rohr- und Raketenflugabwehrwaffen optimal zur Wirkung gebracht werden.
Als ergänzende Bewaffnung verfügen die Flugabwehrpanzer über die
Fliegerfaust STINGER.
Leichte Flugabwehr
Die
leichte Flugabwehr stellt die Ergänzung der mechanisierten Flugabwehr
vor dem Hintergrund eines erweiterten Aufgabenspektrums mit veränderter
Bedrohungslage dar. Sie eignet sich vor allem zum Schutz leichter,
infanteristischer und auch
luftbeweglicher Kräfte gegen die Bedrohung aus der Luft.
Luftverlast- bzw. luftverladbar kann die
leichte Flugabwehr als autarkes System, d.h. ausgestattet mit den
Komponenten »Führung und Feuerleitung«, »Aufklärung« und »Waffenwirkung«
sehr schnell in den Einsatz verbracht
werden und dort einen eigenständigen Flugabwehrschutz aufbauen. Die
Soldaten der leichten Flugabwehr
sind zum Sprungeinsatz mit STINGER befähigt. Auf diese Weise können sie,
auch gemeinsam mit Luftlandekräften, einen ersten, begrenzten
Flugabwehrschutz aufbauen und diesen durch
Nachführen des leichten Flugabwehrsystems erweitern. Das leichte Flugabwehrsystem besteht aus dem
Flugabwehrführungsfahrzeug, dem Aufklärungs- Feuerleit- und Führungsfahrzeug (AFF), dem FAST (0,9 to) und dem Flugabwehrraketenträger OZELOT mit einer Kampfentfernung von bis zu 6.000 Metern. Insgesamt sind 45 OZELOT
und neun AFF in der Flugabwehrbrigade 100 verfügbar. Die
Ausstattung mit dem Lenkflugkörper STINGER
erlaubt den Verschuss nicht nur vom OZELOT, sondern auch als »Man
Portable AIR Defense System« (MANPADS) von der Schulter des
Flugabwehrsoldaten.
Einbindung der Flugabwehr des Heeres in die Luftverteidigung
Luftverteidigung
ist eine teilstreitkraftübergreifende Aufgabe. Die
Erweiterte Luftverteidigung (ELV) fasst defensive und offensive
Einsatzmittel zur Bekämpfung des gesamten Spektrums der Luftbedrohung
gleichermaßen in einem integrierten Verbund
»Führung-Aufklärung-Wirkung« zusammen. Die Flugabwehr des Heeres ist
konzeptioneller und funktionaler Bestandteil des Gesamtsystems der
LV/ELV. Sie ist dazu einsatzoptimiert
ausgerichtet auf die speziellen Schutzbedürfnisse und die
operativ-taktischen Einsatzbedingungen von Heeresverbänden gegen die
Bedrohung aus der Luft. Die
Flugabwehr des Heeres ist der Hauptträger der Abwehr der Bedrohung aus
der Luft im niedrigen und mittleren Höhenbereich (bis
5.000 Meter) und schützt Kräfte des Heeres bzw. deren Anlagen und
Einrichtungen im gesamten Einsatzspektrum, bedrohungs- und lageabhängig,
möglichst eingebunden in die
Luftverteidigung. Die Raketenflugabwehrkräfte der Luftwaffe und der
Marine konzentrieren ihre Abwehr vornehmlich gegen feindliche Luftziele
in der unteren Abfangschicht bis in
eine Höhe von 35 km. Grundsätzlich wird die Einbindung der Kräfte des Heeres in den Schutzschirm der
Erweiterten Integrierten Luftverteidigung oder – bei Einsätzen außerhalb der NATO-Kommandostruktur – in ein dafür gebildetes Luftverteidigungssystem
angestrebt, um die Fähigkeiten im Bereich der Höhen- und
Reichweitenabdeckung sowie der TBM-Abwehr
(taktisch-ballistische Flugkörper) nutzen zu können, da diese
Fähigkeiten in der Flugabwehrtruppe nicht vorhanden sind. Die
Flugabwehrkräfte des Heeres tragen ihrerseits zur
Verdichtung der Aufklärungsergebnisse und des Flugabwehrschutzes bei,
dies insbesondere gegen bodennah angreifende Luftkriegsmittel. Damit
bringt sie unverzichtbare Fähigkeiten in
die gemeinsame Aufgabe Luftverteidigung ein.
Neuer Weg beschritten
Aufgeschaltet
auf ein klares Ziel wird es für die Brigade fortan darauf
ankommen durch Einheitlichkeit in Führung, Ausbildung und Verfahren
sowie durch eine bedarfsgerechte Bereitstellung von Flugabwehrkräften
und -mitteln sicher zu stellen, dass die
Flugabwehr im Gefecht der verbundenen Waffen und im Kampf der
verbundenen Kräfte ihre Rolle, auch als integraler Bestandteil der
Luftverteidigung, in vollem Umfange
ausfüllt. Mit
der Bündelung aller Einsatzkräfte der Flugabwehr des Heeres in der
Flugabwehrbrigade
100 wurde ein neuer Weg beschritten. Führungs- und Einsatzgrundsätze der
Flugabwehr gelten unverändert fort, Fähigkeiten wurden hinzugewonnen.
Die bisher mit der neuen
Organisationsform gesammelten Erfahrungen sind positiv.
Oberst Wolfgang Köpke ist seit April 2002 Kommandeur der
Flugabwehrbrigade 100 in Fuldatal-Rothwesten.
Ich danke Herrn OTL
Schommer vom Vorstand der Gemeinschaft der Heeresflugabwehrtruppe e.V. für
seine Bemühungen, die Genehmigung des General HFlaTr zur Veröffentlichung der
Informationen an dieser Stelle zu erlangen.
Kurt Häußner